Kritik: South Park 17.06 „Ginger Cow“.

„This cow can make ginger cheese, which is like Swiss cheese except instead of holes it has freckles.“

Ginger Cow” kann bis 13. November 2013 und ab Dezember 2013 wieder HIER legal und kostenlos auf der offiziellen South Park Homepage gestreamt werden.

South Parks 17. Staffel besteht gerade mal aus 10 Folgen, mit der 6. Episode sind wir damit schon über der Hälfte. Bislang macht sich die gekürzte Staffel bezahlt – bis auf „Goth Kids 3: Dawn of the Posers“ war noch jede ein Hit. Neuerdings beziehen sich die Folgen deutlich weniger auf Ereignisse aus der Woche, sondern sind viel Zeitgeist-orientierter. All diese Faktoren fließen ein, um „Ginger Cow“ zur besten Episode seit Langem zu machen.

South Park 17.06 ginger cow

Um Kyles Behauptung, es gäbe auch Tiere mit Rotschopf, zu verhöhnen, präsentiert Cartman seinen Mitschülern eine verkleidete Kuh. Die Jungs halten die Kuh für echt und stellen Bilder von ihr ins Internet. Was kann schon groß passieren, scherzt Cartman noch – doch schon bald scharen sich Anhänger jeglicher Religionen um das Tier, das laut einer Prophezeiung den Weltfrieden verheißen solle…

Ab hier gibts wie immer volle Spoiler für die Episode.

Ginger Cow“ ist eine South Park-Folge der alten Schule, und hat genau darum auch das Potential, zu einem sofortigen Klassiker zu werden: Ein Schabernack der Kinder wird von der erwachsenen Welt missverstanden, hypokritische und voreingenommene Individuen und Vereinigungen beginnen sich um die Kinder zu scharen, und am Schluss wird die gesamte Hysterie aufgelöst, indem Stan und Kyle den Irrsinn erkennen und mit Hilfe eines Moralmonologs eingestehen. Was „Ginger Cow“ allerdings hervorhebt ist ein permanent wachsames Auge für die kleinen Erkenntnisse, die auch während des ganzen Wahns um die fuchsrote Kuh gemacht werden.

Dass Mackie und die Direktorin die jüdischen Vertreter nicht verstehen ist beispielsweise eine davon. Genausowenig verstehen wir die Frauen und Männer der arabischen, kenianischen oder japanischen Fernsehanstalten, und werden so Teil der verständnislosen Menschen. Das ist South Park vom Feinsten – die Metapher der Verständnislosigkeit für andere Figuren könnte nicht besser passen, und ist zudem noch witzig umgesetzt. Diese Kombination von Witz und Humor durchzieht die gesamte Episode, besonders während des ersten Akts, und ist dabei so vielseitig wie noch lange nicht.

Es ist ja ein alter Schuh, dass South Park sich gelegentlich in einen Witz so versteift, dass er sich bis zum Ende einer Folge so abnützt, dass er eine gesamte Folge mit sich runter reißt. „Ginger Cow“ spielt hier sicherlich ebenfalls mit dem Feuer im zweiten Akt, als der Furz-Gag von Cartman und Kyle zum x-ten Mal wiederholt wird, ohne eine wirklich interessante Variation zu erhalten – gähn. Davon abgesehen flirtet die Episode allerdings mit so vielen unterschiedlichen Themen wie schon lange nicht mehr – ausnahmsweise macht eine Folge mal wieder den Eindruck, eine lange Planungs- und Entwicklungszeit hinter sich zu haben, so nahtlos fließen die Elemente zusammen.

Schon allein die Reaktion der diversen Religionen ist goldig. Die Beziehung zwischen South Park und Religion war schon immer sehr ambivalent, gelegentlich auch regelrecht feindselig – „Ginger Cow“ lässt sicher da eher in erstere Kategorie einstufen. Einerseits stellen sie in dieser Episode der Schlüssel zum Weltfrieden dar, andererseits ist ihre derzeitige Repräsentation in der Welt der Grund, warum es nicht dazu kommen kann – weil alle so sehr davon überzeugt sind, die eine richtige Interpretation der Religion zu sein, wo doch eine Zusammenarbeit so einfach wäre. Alle Weltreligionen reagieren auf die gefuchste Kuh auf die selbe Weise, weil sie alle ja die selben Grundzüge vorweisen – und Gemeinsamkeiten einen nunmal.

Das Auftauchen der gefuchsten Kuh hat durchaus auch historische Parallelen, in denen Weltereignisse die Weltreligionen auf den Plan riefen und für einen verstärkten interreligiösen Dialog sorgte: Der 11. September etwa hatte als Nebenkonsequenz, dass der Islam dazu gebracht wurde, aktiver den Dialog mit anderen Religionen und Kulturen zu suchen, um Fehlvorstellung der Bevölkerung entgegenzuwirken. Hier öffnen sich die Schleusen hingegen global und von allen Seiten gleichermaßen – keine Religion wird diskriminiert, alle sitzen im selben Boot.

Der Faden wird dann noch einmal weitergesponnen und findet eine konkretere Auswirkung auf die Staatengemeinde – Israel findet endlich Frieden und zelibriert diesen mit einem 10-jährigen Konzert der Band Van Halen. Ich muss gestehen, die Band-Referenz nicht ganz zu verstehen, aber die Konzertszenen sind dennoch weit mehr als Füllmaterial. Zum einen sind sie unheimlich lustig – die Verschmelzung der Weltreligionssymbole in das neue Logo von Van Halen, die „No way, no waaay!“-Referenz an „Goth Kids 3: Dawn of the Posers„, und die Art, wie die Anhänger der Religionen tanzen – mein Favorit ist ja der Typ, der enthusiastisch seine Menora schwenkt. Gleichzeitig bedient sich „Ginger Cow“ einem Mittel, zu dem die Serie nur selten greift: reales Filmmaterial. Und das trifft genau den richtigen Mix aus Humor (Protestanten brüllen und stampfen auf Autos im Takt des Rocksongs) und sozialkritischem Kommentar, dass man sich wünscht, South Park könnte das öfter reproduzieren.

South Park 17.06 reallifeprotest

Selten geht die Serie so subtil vor, aber das muss sie auch in ihrer Kritk mit dem Islam: Mit den folgen „200“ und „201“ handelte sie sich schließlich solch einen Ärger ein, dass mehr oder weniger Todesdrohungen gegen die Schöpfer angekündigt wurden. Hier sind die vermeintlichen Partyszenen ein Mix aus Protest und Ausschreitung, vermixt mit tatsächlichen Zelebrierungen, und bleiben großteils unkommentiert. Erfasst werden Menschen, die wirklich für eine bessere Welt tanzen und protestieren und randalieren, zum Teil allerdings auf unproduktive Weise – Autos werden zerstört, ein Kamel wird gefährlich in die Menge geritten, und Feuersäulen schießen empor. Die Gegenüberstellung von real geschehen Protesten mit animierter Jubelfeier zeigt, wie weit die reale Welt doch noch von einer friedlichen Lösung entfernt ist, und die Schuld wird scheinbar auf jene gelenkt, die auch die Verhandlungen um den Frieden nicht friedlich begehen können.„No doubt Israel is the happiest place to be.“, meint der CNN-Reporter lediglich ironisch, während die Melancholie die gesamte Szene wie ein Tuch bedeckt. Die Diskrepanz zwischen Fiktion und Wirklichkeit ist der Witz an der Sache, der die schlimmen Zustände zwischen den Weltreligionen anprangert, indem er genau das Gegenteil der tatsächlichen Beziehungen zwischen ihnen darstellt.

Dem nicht genug wird die Folge zu ihrem Ende auch noch eine Parodie von selbsternannten Märtyrern. „What you are doing is the most awesome thing ever“, flüstert eine Gotteserscheinung Kyle zu, und dieser wird prompt zur Reinkarnation von Jesus Christus. Märtyrer wird man allerdings nicht, indem man sich selbst als solcher erklärt – das muss man anderen überlassen. Sonst steht letztendlich doch nur der Egoismus als Sieger am Platz, wobei man aber durchaus argumentieren könnte, dass ein Märtyrer Anerkennung durchaus verdienen würde. Schade, dass South Park hier nicht länger Zeit findet, das Thema auszuloten, vielleicht mit ein paar Verweisen auf Beispiele in der Wirklichkeit.

Schlussendlich benötigt „Ginger Cow“ das allerdings aber auch gar nicht. Von den ermüdenden Furz-Witzen abgesehen beweist die Folge ein formidables Gespür für Humor und Story. Letztere ist serientypisch herrlich absurd, hat aber auf abstrakter Ebene absolut Gegenwarts- und Realitätsbezug. Der Israel-Palästina-Konflikt ist zwar derzeit nicht sonderlich in den Medien vertreten, brodelt aber, wie schon seit etlichen Jahren, unaufhörlich dahin. Eine (idealistische) Lösungsstrategie hat South Park natürlich parat: sich auf die Gemeinsamkeiten besinnen und zusammen den Frieden zelebrieren. Verhindert wird das allerdings durch zu große Egos der Protagonisten – keiner will sich eingestehen, falsch gelegen zu haben, und jeder will als am Wichtigsten gelten. Cartman ist der Repräsentant dieser Fraktion, der den gesamten Friedensprozess kollabieren lässt, nur um jedermann wissen zu lassen, dass er keinen kleinen Penis habe. Der Schwanzvergleich ist vulgär, könnte als Metapher fürs Ego aber nicht passender gewählt sein.

Bla:

– Liebe den Moment, in dem die Kuh in den Tod geschmissen wird. So unerwartet, so WTF, und echt witzig! Außerdem ganz in der Tradition der Religion, dass man Wunder nicht nachweisen kann.

Fazit: 9,0 von 10 Kühen.

Ginger Cow“ hat das Zeug zum Klassiker: Lauter guter Ideen vermengen sich zu einer irre cleveren Persiflage der Dispute der Weltreligionen, die weder mit Witz noch Witzen geizt.

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